Die Erwartungshaltung war im Vorfeld niedrig. Oder auch kaum vorhanden. Wer auf ein Konzert der kalifornischen Punkrockband “The Offspring” geht, ist viel gewohnt: die immer gleiche Setlist, kaum Show, einfach nur Musik. So war das zumindest vor 19 Jahren. 2004 hat der Autor dieser Zeilen zuletzt ein Konzert von Dexter Holland und Co besucht. 2023 sollte es endlich wieder so weit sein. Zenith, München am 14.5.2023. 5000 Gäste, schon lange, lange ausverkauft. Übrige Tickets konnten für ein Vielfaches weiterverkauft werden. Die Olympiahalle (10 000 Zuschauer) hätte man locker vollbekommen. Was zur Hölle lockt die Leute auf ein Konzert einer Band, deren große Zeiten eigentlich schon lange vorbei sind und ja, auch das muss man sagen, die nie so richtig Anerkennung erfahren hat im Showbusiness (Punk-)Rock?

The Offspring – The Kids Aren’t alright

Auch vor der Halle sind nur wenige Fans mit Fanshirts zu sehen. Ein Tourshirt von 2004 ist definitiv eine Rarität. Wer hier in die Halle kommt, der kommt nicht unbedingt wegen der Band, sondern vor allem wegen der Musik(-show). Ja, es war schon immer so: Als Fan hat man sich eher versteckt. Offspring? Du hörst Offspring? Süß. Mehr nicht. Lieber outete man sich als Fan von Metallica, ACDC, später sogar von den Rivalen Green Day. Offspring galt und gilt bis heute als “Einstiegsdroge” in den Rockzirkus, in etwas “Härteres”, eine, auf die man nie stolz war, aber einen Leben lang begleitet. Zugegeben: Ich bin immer Fan dieser Band geblieben. Alle Alben waren früher auf dem MP3-Player, alle Alben und Songs sind auf Spotify favorisiert.

Nun steht man hier im Zenith, eine ehemalige Industriehalle, deren Ursprünge auf den Jahrhundertbeginn zu datieren sind und die 1997 zum Veranstaltungsort umfunktioniert wurde. Fast zwei Stunden vor Konzertbeginn sind die Vorbands an der Reihe. Offspring haben sich Unterstützung in Form von “Trash Boat” und “Four Year Strong” geholt. Ein bisschen Punk, ein wenig Hardcore – ordentlich, um die Menge anzuheizen.

Im Vergleich zu 2004 fällt eines bei der “neuen” Offspringshow besonders auf: Das Wort “Show” hat mehr Bedeutung. Selbst die Wartezeit bis zum finalen Auftritt wird mit bester “Festivalunterhaltung” überbrückt. Ein Zeppelin schwebt über der Menge, macht mit der “blind cam” Bilder, die auf Großleinwand gesendet werden. Gleiches passiert mit der “Kiss cam”, der “Headbang cam” – feinste amerikanische Unterhaltung, während die Bühne hergerichtet wird.

Feinster Punkrock ist es auch, als die wirkliche Show startet. Dabei könnte die Setlist kaum traditioneller sein. Zu Beginn drei ganz schnelle Songs (“Gotta keep them separated”, “All i want” und “Want you bad”). Ganz schnell verliert sich die Menge in einzelne “Pits”, Pogo-Räume, die für alle und vor allem eines nicht sind: wüste Schlägereien. Stattdessen: Ausgelassene Stimmung, aber auffällig wenige, die wirklich textsicher sind.

Setlist dritter Song “Want you bad”

Die Mischung am Setlist ist wirklich gelungen. Selbst die Piano-Version von “Gone-Away”, die Frontsänger Dexter solo performt, passt bestens in den Ablauf des Abends, der auch für eingefleischte Fans Überraschungen bereit hält. So ist das Solo der Drum- und Bassline beim Song “Pretty Fly” grandios. Eine wirkliche “Intermission” gibt es nicht mehr und die letzten Songs lassen das Zenith nochmal so richtig beben: “The Kids aren’t alright”, “You gonna go far, Kid” und “Self Esteem”. Wie in einem Rausch ziehen die Songs an einem vorbei. Das T-Shirt ist schon lange durchgeschwitzt, der Körper lechzt nach Flüssigkeit. So muss ein Konzert sein. Fast genau 90 Minuten geht die Show und sie muss – entgegen aller Einwände – auch nicht länger dauern.

The Offspring im Zenith, München am 14.52023 Foto: Bräu

Es ist alles gesagt, möchte man meinen. Licht an und der ein oder andere aus dem Pit erinnert sich: “Man, ich hab’ dich gerade voll zerstört.” Wildfremde Menschen machen einen auf Highfive, umarmen dich. In den 90 Minuten ist so etwas wie eine kurzzeitige Gemeinschaft entstanden. Das ist, was Musik ausmacht: Es bringt die Leute zusammen. Die Welt könnte mehr Rock’n’Roll gebrauchen, mehr feinsten Punkrock, einer Musikrichtung, die bei den Jungen heutzutage kaum mehr Beachtung findet, auch weil Genres wie Hip-Hop und “Gangster Rap” und ihre Messages schon lange das Geschäft bestimmen. Bleibt nur die Hoffnung, dass “The Offspring” in ihrer fast 40-jährigen Geschichte noch weiter so lebendig bleiben. Älter und immer besser gilt hier in besonderem Maße.

(Hannes Bräu)

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