Nick Sandner hat im Frühjahr 2020 die Realschule im Blauen Land erfolgreich mit der Mittleren Reife verlassen. Mitten in der schwierigen Phase der Corona-Pandemie. Danach galt er eher als Abbrecher, der nicht weiß, was er will, bis er schließlich seine Leidenschaft für Textilien im eigenen Unternehmen manifestierte. “âmérè” ist seine Zukunft. Ein Gespräch über Herausforderungen auf dem Weg zum eigenen Modelabel, die Vergangenheit und auch die Zukunft des Kleingewerbes.

blogimblauenland.de: Nick, du hast 2020 an der Realschule im Blauen Land deinen Abschluss zur Mittleren Reife gemacht. Wie ist es mit dir weitergegangen?

Nick Sandner: Nach der Schule wusste ich erst einmal nicht, was ich machen wollte – wie viele aus meinem Jahrgang. Ich war dann auf der FOS. Hab’ abgebrochen. Auch die Ausbildung zum Bürokaufmann habe ich abgebrochen. Anschließend habe ich gearbeitet, wurde aber nie wirklich glücklich damit. Und dann bin ich in den Bereich Mode gekommen. Und genau da habe ich mir gedacht: Das ist das, was mich erfüllt.

blogimblauenland.de: Wer hat dich dazu inspiriert, eine Modemarke zu gründen?

Nick Sandner: Eine schwierige Frage. Angefangen hat das ganze eigentlich schon 2018. Damals zusammen mit dem Philipp aus meiner Klasse. Wir dachten: Billige Klamotten, einfacher Druck. Das war’s. Erst später, nach dieser persönlichen Findungssache, ist das ganze etwas ernster geworden.

Nick Sandner (rechts) im Gespräch mit den Redakteuren Simon Walser, Noah Frank und Hannes Bräu Foto: Kunkel

blogimblauenland.de: Dein Modelabel hat den Namen “àmérè”. Wie bist du darauf gekommen?

Nick Sandner: Ursprünglich sollte die Marke “arête” heißen. Dann aber hat sich ein Unternehmen gemeldet, dass eben schon diesen Namen besetzt. Eine Woche habe ich mir den Kopf zerbrochen. Klingt im Nachhinein harmlos. Aber zu diesem Zeitpunkt war ich wirklich verzweifelt. Ich dachte mir nur: Wenn es daran jetzt scheitert. Ein neuer Name musste her und er musste mit dem Buchstaben a beginnen, weil die ganze Kollektion schon geplant war. “àmérè” hat letztendlich keine richtige Bedeutung. Eine Art Label.

blogimblauenland: Viele Textilmarken stehen für ein Lebensgefühl, beinhalten eine “Message”. Steht so etwas auch bei dir im Zentrum?

Nickt Sandner: So eine richtige “Message” dahinter gibt es nicht. Die Logos entstehen oft aus einer Momentaufnahme. Wenn ich schlecht drauf bin, zeichne ich. So entsteht eine Ansammlung von Momenten auf den jeweilen Hoodies.

blogimblauenland: Wer steht außer dir noch hinter “àmérè”?

Nick Sandner: Drei Leute spielen aktuell neben mir eine Rolle. Zum eine David, unser Hauptmodel für die Marke, von dem viele denken, im gehöre das Label, dazu Fotograf Leon Hartmann und meine Mutter, die in Handarbeit alles näht. Wir sind keine Großproduktion, sondern setzen auf Qualität.

David (links) mit Labelgründer Nick Sandner Foto: Instagram

blogimblauenland: Ist es für dich nicht mal Thema, größer zu werden, zu expandieren?

Nick Sandner: Natürlich war das schon Thema. Wir könnten auch in Portugal oder in der Türkei größere Mengen produzieren, aber dann verlieren wir unseren Ruf, alles in Deutschland zu fertigen und der ist schon sehr viel wert. Viele meinen immer noch: Der Blankopulli wird gestaltet. Was keiner sieht: Wir bekommen den Stoff und fertigen das Produkt. In so einem Pulli steckt gut ein halber Tag Arbeit. Entsprechend höher muss auch der Preis sein.

blogimblauenland: Schaffst du es mit deinem Umsatz deinen Unterhalt zu bezahlen?

Nick Sandner: Meine Unterhaltskosten sind nach wie vor sehr niedrig. Mein Auto kann ich zahlen, meine Versorgung. Sagen wir so: Mir geht es nicht schlecht. Am Ende hängen die Einnahmen auch immer von der Neuerscheinung einer Kollektion ab und die erscheint im Quartal. Es gibt kein regelmäßiges, monatliches Gehalt, sondern ich bin von Aufträgen abhängig.

blogimblauenland: Bisher kennt die Welt nur deinen Online-Shop. Ist der Einzelhandel ein Ziel deiner Marke?

Nick Sandner: Ich habe mir schon überlegt, keine Kollektion in “Concept-Stores” zu veröffentlichen. Also Stores, in denen man seine Pullis einfach selber anbieten kann. Am Ende wird der Onlinehandel immer größer und ich sehe hier die Zukunft. Online haben wir auch die Möglichkeit, das Produkt für den Kunden zu individualisieren, wodurch der Hoodie kein Massenprodukt mehr ist.

blogimblauenland: Welche Zielgruppe verfolgt deine Marke?

Nick Sandner: Uns hängt schon dieses Fashion-Klischee an. Ich würde aufgrund unserer Analysen sagen, unser Hauptstamm an Kunden ist zwischen 13 und 25 Jahre alt.

blogimblauenland: In Deutschland gibt es 3,5 Millionen Selbstständige. Du bist einer davon. Welche Vorteile siehst du darin?

Nick Sandner: In erster Linie gibt es auch sehr viele Nachteile. Aber ich genieße es, meine Zeit frei einteilen zu können, was am Anfang gar nicht so leicht war.

blogimblauenland: Viele unserer Leser, die auf dieses Interview stoßen, fragen sich: Was brauche ich, um ein junger Unternehmer zu werden?

Nick Sandner: Der Begriff “Unternehmer”, mit dem kann ich eigentlich nicht viel anfangen. Passt nicht zu mir. Ich denke aber, dass man in erster Linie an das, was man macht, glaubt und es dann auch durchzieht.

“good things” – Hoodie aus der ersten Kollektion von âmérè Foto: Instagram

blogimblauenland: 2020 hast du “âmérè” gegründet. Mitten in der Coronakrise.

Nick Sandner: Corona hat uns eigentlich gar nicht gekümmert, spielte keine Rolle. Viel schwieriger ist die Situation für uns aufgrund des Krieges in der Ukraine. Unsere Stoffe beziehen wir aus Polen und die kamen teilweise gar nicht oder viel zu verspätet an.

blogimblauenland: Unabhängig vom aktuellen Krieg in der Ukraine: Was waren für dich die größten Herausforderungen auf dem Weg zur eigenen Textilfirma?

Nick Sandner: Eigentlich nur, dass ich meine Eltern davon überzeugen musste, dass ich keine Ausbildung machen will (lacht). Mittlerweile haben sie es verstanden. Im Rückblick habe ich mir über viele Dinge unnötig Gedanken und auch Sorgen gemacht.

blogimblauenland: Wer als Unternehmer klein anfängt, will wachsen. Wo soll es in Zukunft für “âmérè” hingehen?

Nick Sandner: Natürlich wäre es ein logisches Ziel, irgendwann in einer großen Kette zu landen, Kollektionen für die Masse zu gestalten. Aber ich betone nochmals: Unsere Produkte sind keine “print on demand”-Dinge, sondern werden von Null auf geplant und gestaltet. Es soll nicht nur irgendein billiger Pulli für viel Geld sein. Die Leute sollen hingegen erkennen, dass da sehr viel Zeit und Liebe drinsteckt.

blogimblauenland: Aber stell dir vor, eine große Handelskette will die Lizenz für deine Produkte, kommt mir einem großen Scheck und will deine Kollektion für den Massenmarkt veröffentlichen. Nick Sandner: Solche Angebote gab es schon. Aber ich bin mir sicher, es würde mir auf diesem Weg keinen Spaß mehr bereiten. Wenn ich etwas durchziehe, dann muss das auch mit Spaß verbunden sein, sonst verliere ich die Lust daran.

blogimblauenland.de: Nick, vielen Dank für deine Zeit.

Nick Sandner: Sehr gerne, immer wieder.

Für die neuesten Kollektionen und den Online-Shop klickt ihr auf die offizielle Website von âmérè.

(das Interview führten Noah Frank, Simon Walser und Hannes Bräu / Foto: Luis Kunkel)

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