Theater ist kein Kino. Ein Satz, der aus Sicht eines Schülers natürlich traurig stimmt. Kino mit all seinen Spezialeffekten ist unterhaltsam, steht für Action, viel Spannung oder tränenreiche Stunden. Theater wirkt im Gegensatz dazu fast ein wenig alt, eingestaubt, anstrengend. Und dennoch machten sich am 13. Juni 2024, 12 SchülerInnen der 10b auf den nach München, um am Münchner Volkstheater die brandneue Inszenierung von Friedrichs Dürrenmatts Klassiker “Der Besuch der alten Dame” von Regisseurin Sapir Heller zu sehen. Bereits vor den Pfingstferien war das Stück im Unterricht gelesen und thematisiert worden. Umso spannender erwartete man jetzt die Aufführung.
Statt “alter Dame” kommt die Enkelin nach Güllen
Die Mitgereisten wurden nicht enttäuscht. Was die meisten zunächst irritierte: Alle Schauspieler sahen modern aus, keinesfalls wie erwartet auch ähnlich altmodisch wie das Zeitdokument aus dem Jahr 1957. Heller hat die Handlung von Anfang an um zwei Generationen in die Gegenwart verlegt. In Güllen kommt also nicht die “alte Dame” sondern es kommt die Enkelin ins Dorf. Ein kluger Schachzug, der vor allem das junge Publikum begeistert, auch weil das Stück an sich fast mit dem Originaltext auskommt, den viele Schüler gelesen haben, ist es ein leichtes die Handlung nachzuvollziehen. Claire Zachanassian ist nun nicht die alte, steinreiche Dame sondern eine junge Sängerin mit Karriere, die in das verarmte Güllen kommt und von der erwartet wird, dass nun möglichst viel Geld den Ort trifft. In den kommenden Szenen wiederholt sich die Originalhandlung scheinbar. Die entscheidende Szene, die die Handlung weiterspinnt, ist dann die Aussetzung von Kopfgeld auf den Enkel von Alfred Ill.
Der “Test” führt zum Tod
Gerade zu Beginn zieht sich die Handlung für die Zuschauer. Inhaltlich tut man sich schwer, der Handlung Neues abzugewinnen. Aber spätestens beim Wendepunkt, als der jungen Claire klar wird, was sie angerichtet hat, ist der Zuschauer wieder gespannt dabei. Etwas läuft hier nicht so, wie man das ursprünglich gelesen hat. Eine Art Test sei das Kopfgeld gewesen. Zu spät. Zum Ende hin ist Ills Enkel tot – das Geld für Güllen gibt es aber trotzdem nicht. Statt der dramatischen Schlussszene (im Original gibt es gar zwei unterschiedliche Versionen) wird gesungen. Es ist dieser Moment im Saal, an dem auch die letzten aufwachen und konzentriert bei der Sache sind. Heller lässt zumindest die Jungen im Saal ein wenig ratlos zurück. War es jetzt die Einsicht, etwas Falsches gemacht zu haben oder einfach ein Blick auf das Theater allgemein? Wir sind ehrlich: keine Ahnung.
Moderne Bühne, die dem Kino Konkurrenz macht
Unabhängig von der Inszenierung auf der Bühne gefiel vor allem die Location, das Volkstheater. Bühne 1 wirkt modern, lässt viele Inszenierungsmittel zu. So fährt in der Mitte des Schauspiels plötzlich die Bühne nach oben, teilt sich, und unter dem mageren Geäst eines (abgestorbenen) Baums, der wohl das arme Güllen darstellt, kommt der Schädel eines Widders zum Vorschein. Die Hölle auf Erden. Ab und an sieht man die Schauspieler im Nebel, alles wirkt ein wenig furchteinflößend. Auch der durchsichtige Vorhang auf der Bühne, der auch als Leinwand dient, macht einige gute Effekte möglich, von der Einspielung der “alten Dame” und ihres Chors bis zum herbeirauschenden Zug in der Anfangsszene. Sicherlich eine Bühne, die Geld kostet und deren Kosten man alleine mit Eintrittsgeld sicherlich nicht wieder einspielt. Viele Millionen des Freistaats stecken wohl in dieser Kulturstätte. Zurecht, wie wir finden. Will man das junge Publikum überzeugen, ins Theater zu gehen und nicht ins Kino, darf man nichts unversucht lassen.
(Magdalena Pavel)