In diesen Zeiten ist nichts mehr sicher. Vier Jahre Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Inflation haben mittlerweile schon eine ganze Generation Schüler geprägt, die mit Abstandsregeln und Maske das Schulhaus betreten haben. Die erleben, wie die Preise am Pausenverkauf sich teilweise verdoppeln und die merken, dass das Geld beim Staat dann doch nicht mehr so locker sitzt. Auch der Freistaat Bayern muss sparen. Und auch wenn er angibt, an Bildung werde nicht gespart: An den Schulen spürt man den Spardruck trotzdem. Mal fehlt das Budget für eine Klassenfahrt oder ganze Projekte werden wegen fehlender Fördermittel in Frage gestellt. Es sind die Zusatzangebote, die innovativen Projekte, die darunter leiden, deren Mehrwert für die Schüler aber beständig unterschätzt wird.

Die „Wertetage“ an der Realschule im Blauen Land sind so ein Zusatzangebot. Alle 8. Klassen fahren einmal im Jahr für drei Tage nach Pullach, um dort auf der Burg Schwaneck unter Anleitung von geschultem Personal über Werte nachzudenken und ein gewisses Demokratieverständnis zu entwickeln. Manch einer mag sagen: „Braucht es doch nicht. Sinnlos. Können wir aus dem Programm streichen.“ Und ja: Es gibt sie schon, die Kritiker dieser „Orientierungstage“, deren Argumente in gewisser Weise nachvollziehbar sind. Kann man diese „Werte“, von denen die Rede ist, innerhalb des Unterrichts vermitteln? Ist Erziehung zur Demokratie nicht fächerübergreifende Aufgabe? Kann man so ein Projekt nicht vor Ort an der Schule gestalten?

Burg Schwaneck – Jugendherberge und Bildungsstätte zugleich Foto: Bräu

Alles berechtige Fragen, die sich, wenn man vor Ort ist, auch irgendwie bestätigen. Die Infrastruktur an der Schule für die vielen „Ice-Breaker“-Spiele und auch das Abschlussprojekt wäre durchaus vorhanden. Ganz viel wird auf spielerische Weise vermittelt. Die Schülerinnen und Schüler sind dankbar für diese Abwechslung vom manchmal auch tristen Unterrichtsalltag. Im Mittelpunkt stehen gemeinsame Werte einer demokratischen Gesellschaft, die immer wieder thematisiert, differenziert und diskutiert werden. Auch die ein oder andere überraschende Sichtweise kommt auf. Wir Lehrer sind nicht immer gern gesehene Gäste – und das ist positiv gemeint. Die Seminarleitung und die Klasse für ein paar Stunden alleine? Ja, das geht und ist erwünscht. Vor allem das abschließende Projekt stellt die Schüler vor eine Gemeinschaftsaufgabe, mit der sie sich ca. 4 Stunden beschäftigen, planen, proben und aufführen. Das Endresultat – ein Theaterstück – bleibt bis zur „Uraufführung“ den Erwachsenen verborgen. Umso interessanter und auch überraschender ist das Endergebnis. Nicht die schauspielerische Leistung einiger Schülerinnen und Schüler steht dabei im Fokus, sondern auffällig ist, wie alle in der Klasse an einem Strang ziehen. Der eine macht das Licht, die anderen sind für den Ton zuständig. Hier gibt es einen Moderator und dort welche, die den Vorhang auf der Bühne managen. Ein Gemeinschaftsprojekt der Klasse, das Werte darstellen soll und am Ende dazu führt, dass eben genau diese Werte gelebt werden – unbewusst, praxisnah und im gewohnten Rahmen.

Am Ende des Seminars wird aber spätestens bei der Evaluation der zweieinhalb Tage deutlich: Mit der Klasse haben diese Wertetage tatsächlich etwas gemacht. „Zusammenhalt“, „Verständnis füreinander“ sind zwei Begriffe, die mehrheitlich von den Schülerinnen und Schülern genannt werden. Das Seminar an sich ist dafür aber gar nicht verantwortlich. Es sind die Rahmenbedingungen, die diesen Zusammenhalt fordern, stärken und das Aufeinandereingehen automatisieren. Die Klasse, zwei Lehrer, vier Externe, eine Jugendherberge und zwei Nächte reichen da aus. Entscheidend ist aber der Fakt, dass man nicht gleich zu Hause ist, nicht in den vertrauten Räumen der Schule dieses Seminar abhält, sondern einfach in fremder Umgebung ist, übernachtet und natürlich versucht, solange wie möglich die Nacht durchzumachen und die Lehrer davon in Unkenntnis zu lassen. Das schweißt zusammen.

Dass man als Lehrkraft am Ende die Teilnehmerlisten penibel ausfüllen, alle Rechnungen aufheben muss, um ja am Ende alle Fördergelder zu bekommen, die diese Tage in Schwaneck erst möglich machen, nimmt man hier gerne in Kauf. Und dennoch bleibt so ein wenig die Befürchtung: Sollte das Budget für Bildung im Freistaat in Zukunft noch mehr auf der Kippe stehen, könnten es gerade solche Projekt wie die „Wertetage“ sein, die als Erstes in Frage gestellt und vielleicht auf Eis gelegt werden, obwohl die Praxis und die Erfahrung zeigen: Genau diese Tage sind es, die den Schülerinnen und Schülern einfach in Erinnerung bleiben.

(Hannes Bräu)

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