Rekord-März, wärmster Monat seit Wetteraufzeichnungen. Fast 28 Grad im April. Ja, gemessen am 14. April auf der heimischen Terrasse. Der Sommer kündigt sich an und macht einen Winter vergessen, der im Tal zumindest nie einer war. Nur einmal, am ersten Dezemberwochenende kamen wirklich nennenswerte Schneemengen herunter. Alles andere spielte sich auf 2000 Höhenmeter plus ab. Unter diesen Umständen scheint es fast unmöglich, noch an eine Zukunft des Skifahrens in der Region zu denken. Aber es gibt sie, diese Zukunft, sie sieht nur anders aus. Skifahren ist weiter möglich, nur verschiebt sich dessen Ausübung in höhere Gefilde. Selbst lange, nachdem die letzten Lifte auf der Zuspitze zumachen, kann man hierzulande noch Skifahren und vor allem Abenteuer im Schnee erleben.

Langer, steiler Anstieg über das Schlauchkar zur Birkkarspitze Foto: Bräu

Voraussetzungen für Frühjahrstouren sind schon lange im Trend

Was man dazu braucht? Ein E-Bike mit ausreichend Akku, einen guten Rucksack und natürlich eine Skitourenausrüstung. Alle drei Anschaffungen liegen seit langem im Trend. Vor allem die zwei Jahre Corona mit geschlossenen Skigebieten und Verboten hat den Hype ums Skitourengehen nur noch verstärkt. Fast schon etwas nostalgisch denkt man an die Zeit vor 20 Jahren, als man recht alleine die Berge in der Umgebung des Wettersteins per Ski bestieg und die wenigen, die unterwegs waren, persönlich kannte. Wer Einsamkeit und Schnee sucht, der muss im Frühjahr aufbrechen, früh aufstehen und eine gute Ausdauer mitbringen. Es gibt sie noch, diese nostalgischen Touren mit etlichen Wildtieren auf dem Weg und wenigen Menschen. Anfang April ist eine gute Zeit, bei stabilem Wetter im Karwendel unterwegs zu sein. Schroffe Felsen und lange, breite Kare kennzeichnen diese Gebirgskette, die u.a. im südlichen Landkreis beheimatet ist. Wer wirklich dahin will, muss aber in Österreich, in Scharnitz starten. Ein Ort, der mittlerweile eine Umfahrung und sich seither über die Jahre stark verändert hat. Alles ist touristischer geworden, Tagestouristen sind vor allem im Sommer da, aber die Gelegenheitsgäste, die durch den Ort in Richtung Süden gefahren sind, bleiben aus. Unser ehrlicher Eindruck? Das urige Scharnitz, das wir noch kennen, stirbt langsam aber sicher aus. Gestiegene Immobilienpreise tun ihr Übriges. Wer aber ins Karwendel will, der muss hier am „Tor“ beginnen und wird belohnt.

Das legendäre Birkkarhüttl – letzte Station vor dem Gipfel in 2600 Metern Höhe Foto: Bräu

Skifahren in unberührter Natur – Ursprung und Zukunft des alpinen Sports

Über die Teer- und Forststraße geht es zunächst mit dem E-Bike in Richtung Karwendelhaus. Eine Strecke, die zwischen November und April nur zwischen 8 und 16 Uhr befahren werden darf. Wildschutzgebiet. Wir Menschen sind nur Gäste in einer einzigarten Natur, das sollte uns immer bewusst sein. Deshalb gilt auch: Haltet die Regeln ein. Angesichts von mehr als 20 Grad im Tal Anfang April eine gewagte Tourplanung, erst gegen 8 Uhr aufzubrechen. Für den ganzen Tag war schon über 1600 Höhenmeter Lawinenwarnstufe 3 ausgerufen worden. Das Ziel: Die Birkkarspitze auf mehr auf 2700 Metern Höhe. Der höchste Gipfel im Karwendel. Nach 13 Kilometern mit dem E-Bike geht überraschend früh nichts mehr auf der Forststraße. Es liegt noch genügend Schnee in Schattenlagen, die Skier müssen angeschnallt werden. Über den steilen Wald und einer eher mühseligen Spur geht es ins lange schattige Schlauchkar. Hier wird klar: Vom verfrühten Sommer kann hier keine Rede sein. Gerade der letzte, sehr steile Abschnitt fordert feinste Skitourentechnik und bei noch niedrigen Temperaturen durchaus Harscheisen, um in der Spur halt zu finden. Skidepot am legendären Birkkarhüttl und noch 100 Hm zu Fuß auf das Gipfelkreuz. Der Lohn nach 1400 Höhenmeter Bike und Ski: Ein atemraubendes Panorama über sämtliche Gipfel des Karwendels. Die eigentliche Belohnung folgt allerdings noch beim Abfahren. Pulverschnee, feinster Firn und unten natürlich Nassschnee. Dazu aber viele Begleiter. Schneehasen und zahlreiche Gams säumen den Weg nach unten. Ein unvergessliches Erlebnis und ein Punkt, an dem man denkt: Auch das wird bei noch so vielen schneearmen Wintern möglich sein. Auf den E-Bikes geht es dann mit einem Lächeln im Gesicht gemütlich Richtung Tal.

Gerade so eine Frühjahrstour zeigt: Wer das Skifahren totredet, hat diesen alpinen Sport wirklich nur auf breiten Pisten und mithilfe von Bergbahnen und Liften ausgeübt. Die Jahre werden wärmer, die Winter schneeärmer aber der Sport bleibt – nur anders. Und mit ihm die zahlreichen Möglichkeiten für Abenteuer in der Natur und Momenten, in denen das Leben wirklich zu spüren ist.

Über die Forststraße geht es mit dem E-Bike wieder gemütlich in Richtung Parkplatz Foto: Bräu

(Hannes Bräu)