Als Regisseurin war Lehrerin Nadine Eisenmann natürlich die gefragteste Person beim Theaterstück „Momo und die Zeit“, das Ende November bei uns an der Schule aufgeführt wurde. Manuskript, Ton, Text – alles ging am Ende aus einer Hand. Welches Verhältnis sie zum Thema Zeit hat und wie sich die Arbeit am Theaterstück gestaltete verrät sie im exklusiven Interview mit dem Blog im Blauen Land.
blogimblauenland.de: Guten Tag Frau Eisenmann. Was haben Sie denn heute schon mit ihrer Zeit so angestellt?
Eisenmann: Heute? Sieben Stunden unterrichtet und in meiner Pause einen Kaffee getrunken bzw. ein wenig gegessen. Für mehr war nicht Zeit.
blogimblauenland.de: Klingt nach einem anstrengenden Tag. Gibt es eigentlich so etwas wie produktive Zeit?
Eisenmann: Ja, absolut, daran glaube ich schon. Es hängt vor allem von den Tageszeiten ab. Bei mir persönlich sind es vor allem die Morgen- und Abendstunden. Am Nachmittag – vor allem direkt nach der Präsenzarbeit – bin ich weniger produktiv.
blogimblauenland.de: Welche Rolle spielt denn Zeit in unserem Alltag?
Eisenmann: Zeit spielt eine wichtige Rolle in unserem Alltag und ich glaube, dass viele verlernt haben, die Zeit richtig zu nutzen.
blogimblauenland.de: Aber haben wir denn überhaupt noch Zeit in einer Welt, die unglaublich schnelllebig geworden ist?
Eisenmann: Das Problem in unserer modernen Gesellschaft ist, dass wir schon die Zeit haben, aber wir müssen sie uns einfach nehmen. Die letzten Jahre ist die Achtbarkeitsbewegung auf dem Vormarsch. Das liegt auch daran, dass wir all die Dinge um uns herum haben, die uns „vollballern“, wie Handy, die ganzen anderen digitalen Endgeräte. All diese Dinge überfordern uns. Wir müssen uns die Zeit einfach wieder für Dinge nehmen, die uns wichtig sind. Gerade das Smartphone schluckt am Tag so viel Zeit. Bist du da auf Instagram, schaust dir Reels an, vergisst einfach die Zeit, die man doch für etwas Besseres hätte nutzen können.

blogimblauenland.de: Zeit spielt auch im Theaterstück der Schule, „Momo und die Zeit“, eine wichtige Rolle. Was macht Michael Endes Werk so einzigartig?
Eisenmann: Das Stück ist jetzt 50 Jahre alt und die Einzigartigkeit liegt darin, dass es so gut in unsere Zeit passt. Es transportiert die Message, dass wir uns selbst oft die Zeit stehlen lassen, so wie Momo auf der Bühne durch die „grauen Herren“ die Zeit gestohlen wird, ohne dass sie es merkt. Michael Ende führt einem vor Augen, was wirklich wichtig ist im Leben: Die Zeit mit Menschen zu verbringen, die einem wichtig sind, mit Tätigkeiten, die man liebt, die einem etwas zurückgeben, eigentlich das Leben schön machen. Genau da sollte die Zeit dann auch hingehen.
blogimblauenland.de: In der Schulaufführung ist auffällig, dass ausgerechnet die Hauptfigur „Momo“ von zwei Schülerinnen gespielt wird. War das so geplant?
Eisenmann: Da müssen wir ins vergangene Schuljahr zurückblicken. Alle Rollen waren doppelt besetzt, weil so viele SchülerInnen mitgemacht haben. Einige sind dann zum Jahreswechsel abgesprungen und daher hatten wir wieder einfache Besetzungen der Rollen – außer „Momo“. Deren Text ist sehr ausführlich und aus Gerechtigkeitsgründen haben wir die Doppelbesetzung gelassen.
blogimblauenland.de: Eine Theateraufführung ist immer auch eine Version des Originals, eine Interpretation. Wie haben sich die Arbeiten bei „Momo und die Zeit“ am Manuskript gestaltet?
Eisenmann: Das war und ist ein Prozess, der bis vor Ende des Stücks läuft. Zunächst habe ich das Buch von Ende gelesen und mir hauptsächlich in den Ferien bestimmte, für mich wichtige Stellen herausgeschrieben. Die Frage war immer: Was muss drin sein, dass man das Stück versteht und trotzdem so kürzt, damit man es auf die Bühne bringen kann. Von einem Verwandten habe ich auch ein Skript ausgeliehen, dann aber mein eigenes Ding durchgezogen. Da laufen ständig die Gedanken: Wie kann man Szenen verkürzt darstellen? Gelöst habe ich das beispielsweise mit dem Einsatz von Musik oder einer bestimmten Choreografie. Gerade die Szene im Stück, als den Menschen die Zeit gestohlen wird – das ist komprimiert in einer Szene, die das pantomimisch darstellt. Ein paar Tage vor der Aufführung habe ich noch eine Szene rausgeschnitten, die dann einfach zu viel war.
blogimblauenland.de: Vielen Dank Frau Eisenmann für dieses ausführliche Gespräch.
Eisenmann: Dankeschön für eure tiefgreifenden Fragen!
(Fotos: Vreni Gilg; Text und Fragen: Hannes Bräu)