Seit März 2022 wächst die Anzahl der Schüler, die aus der Ukraine kommen und vor dem russischen Angriffskrieg fliehen, beständig an. Aktuell werden 26 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Viele davon besuchen die 5. und 6. Klasse als „Brückenklasse“, um dann vielleicht später in eine „Regelklasse“ zu wechseln oder eben als Gastschülerin oder Gastschüler ohne Notenbewertung die Realschule im Blauen Land zu besuchen. Alle Kinder aus der Ukraine bekommen zudem gesonderten Deutschunterricht und werden – soweit es geht – auch individuell betreut. Ein System, dass sich hier an der Schule bewährt hat und das bereits erste Erfolge vorweisen kann. Oksana Ladniuk floh im März 2022 nach Deutschland, besucht aktuell die 8. Jahrgangsstufe und ist ein gutes Beispiel, wie die Integration ukrainischer Schüler erfolgreich ablaufen. Im exklusiven Interview mit unserem Blog spricht sie über ihre Zeit in Deutschland, an unserer Schule, ihr Verhältnis zu Russland, die Rolle ihrer Familie und wie sie sich ihre Zukunft vorstellt.
Blogimblauenland.de: Hallo Oksana, schön, dass du uns für ein Interview zur Verfügung stehst.
Oksana: Danke, ich bin sehr glücklich, für dieses Interview ausgewählt worden zu sein.
Blogimblauenland.de: Oksana, Hand aufs Herz: Wie fühlst dich an unserer Schule?
Oksana: Es ist einfach nur ein geiles Gefühl, hier sein zu dürfen. Für mich ist die Realschule im Blauen Land aktuell die beste Schule für mich. Die Mittelschule wäre für mich zu wenig interessant und das Gymnasium an sich ist einfach zu schwer. Nur lernen, lernen, lernen, da bin ich an der Realschule gut aufgehoben. Ich bin auch sehr dankbar für die Lehrer, die immer Verständnis für mich zeigen. Ich fühle mich fast als Deutsche (sie muss schmunzeln)
Blogimblauenland.de: Wie war das damals, die Anfangszeit, als du nach Deutschland gekommen bist?
Oksana: Ich bin sehr dankbar, dass mir von Anfang an wirklich alles gezeigt wurde, wie das hier alles abläuft. Seit der 8. Klasse habe ich wirklich Freunde hier an der Schule gefunden. Am Anfang war es schwieriger. Ich dachte einfach: Was tue ich, wenn ich keinen Google-Übersetzer habe? Mittlerweile brauche ich den nicht mehr. Nur manchmal habe ich das Gefühl, dass ich vielleicht etwas falsch übersetze.
Blogimblauenland.de: Schön zu hören, Oksana. Ist der Unterricht hier in Deutschland sehr viel anders als in der Ukraine?
Oksana: Auch wir in der Ukraine hatten den 45-Minuten-Rhythmus, aber nach jeder Stunde gibt es 15 Minuten Pause. Die Schultage hier in Deutschland sind kürzer. Und auch der Unterricht ist nie wirklich langweilig, oft auch lustig.
Blogimblauenland.de: Wie stellst du dir deine Zukunft vor?
Oksana: Ich kann mir nicht mehr vorstellen, in der Ukraine dauerhaft zu leben. Urlaub ja, wohnen aber nicht mehr. Auch in Sachen Schule habe ich hier alles, was ich in der Ukraine auch habe und ich lerne immer besser die deutsche Sprache. Ich will hier bleiben, das steht fest und werde weiter fleißig sein. Aktuell habe ich keine Note 5 im Zeugnis und will in allen Fächern besser werden – auch in Deutsch. Mein Ziel wäre es, nach der Realschule auf das Gymnasium zu wechseln, aber dafür müssen meine Noten noch besser sein.
Blogimblauenland.de: Deine Zukunftsvorstellung ist also völlig unabhängig davon, ob der Krieg in der Ukraine endet?
Oksana: Wenn dieser Krieg hoffentlich bald endet, kommt hoffentlich meine ganze Familie nach Deutschland – auch mein Papa und mein Opa. Mein Opa muss noch 1,5 Jahre an der Front zu dienen, dann ist er 60 Jahre und scheidet aus dem Wehrdienst aus. Er hat angekündigt, dass er kommt.
Blogimblauenland.de: Viele fragen sich, warum so viele Ukrainer nach Deutschland kommen. Ausgerechnet das Land mit einer der schwierigsten Sprachen, die man in Europa lernen kann.
Oksana: Nein, Englisch ist viel schwerer, finde ich und finden viele Ukrainer auch.
Blogimblauenland.de: Wie geht es deiner Familie in Deutschland und welche Rolle spielte sie gerade zu Anfang deiner Zeit hier in Murnau?
Oksana: Meine Mutter arbeitet hier seit dem ersten Tag. Sie und wir wollen nicht einfach kommen, Geld kassieren und nichts machen. Wenn wir hier schon leben, warum nicht diesem Land etwas zurückgeben? Meine Familie war sehr wichtig und ich vermisse meinen Vater sehr. Er war ein großes Vorbild für mich. Er trinkt keinen Alkohol, ist sportlich, hat für uns finanziell gesorgt. Aktuell ist er noch in der Ukraine und hilft hinter der Front.

Blogimblauenland.de: Du hast dich ja jetzt schon sehr in Deutschland eingelebt aber hast du trotzdem manchmal noch mit Heimweh zu kämpfen?
Oksana: Ja jeden Tag. Leider kann ich nur einmal pro Jahr in die Ukraine zurück, aufgrund der hohen Kosten aber vielleicht kann ich, wenn ich älter bin und meinen Führerschein habe, selbstständig in die Ukraine fahren. Meine Mama würde ich trotzdem mitnehmen, denn ganz alleine ist es zu gefährlich. Ich vermisse es auch sehr, in der Stadt zu leben, wo jeden Tag was los ist, obwohl mir die Natur hier auch sehr gefällt. Es ist einfach anders.
Blogimblauenland.de: Hast du noch viel Kontakt in deine Heimat ?
Oksana: Bis auf meinen besten Freund habe ich leider nicht mehr viel Kontakt mit Freunden und Mitschülern. Er plant, auch bald hier her zu kommen, da man schon ab 17 Jahren nicht mehr aus der Ukraine ausreisen darf und er bald 16 wird.
Blogimblauenland.de: Würdest du sagen, dass Deutschland dir viel in dieser schwierigen Zeit geholfen hat ?
Oksana: Ja natürlich! Wir sind sehr dankbar für die Wohnung, die wir am Anfang kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen haben. die Menschen hier waren sehr hilfsbereit, wenn es um die Schule oder die Arbeit ging. Wir wurden mit Geld und Informationen wie Familie behandelt und dafür sind wir wirklich sehr dankbar.
Blogimblauenland.de: Vielen Dank Oksana für dieses Gespräch. Für deine Zukunft wünschen wir dir alles Gute!
Oksana: Vielen Dank! Danke, dass ich stellvertretend für alle ukrainischen Schüler sprechen durfte.
(dieses Gespräch planten und führten Sophia Scheffel und Hannes Bräu)