Mist, Gülle und haufenweise schlecht gelaunte Bauern. Am Montag, den 08.01.2024, starteten die Bauernproteste in ganz Deutschland. Tausende Traktoren versperrten die Straßen und Autobahnauffahrten. Selbst das Brandenburger Tor in Berlin wird von der Wut der Landwirte in den Wochen darauf nicht verschont. Mithilfe von Schildern versuchen sich die Bauern zu retten und wollen so gehört werden: “Niemand soll es je vergessen, wir Bauern sorgen für das Essen”; “Die Ampel da oben gehört auf den Mist geschoben” oder “Gib es keine Bauern mehr, bleiben die Teller leer”. [Bilder vom ersten Protestzug durch Garmisch-Partenkirchen gibt es hier]. Schon jahrelang pflegen die Bauern einen teils begründeten Hass auf die Regierung, doch die Anhebung der Kosten für den Agrardiesel hat das Fass schlussendlich zum Überlaufen gebracht.
Sündenbock Regierung – zwischen Subventionsmilliarden und Steuerlast
Gerade die Ampelregierung wird zur Zeit also Sündenbock verwendet. Doch es stellt sich die Frage, ob sie wirklich die alleinige Schuld an der aktuellen Lage der Landwirte hat. Die Regierung, auch die EU ist es, die die Landwirtschaft mit Milliarden-Subventionen seit Jahrzehnten unterstützen. Ohne dieses Geld würde wohl ein Großteil der Kleinbauern überhaupt nicht mehr existieren. Geld ist also da. Die Bürokratie aber auch. Die ist es wohl, die viele jetzt insgeheim auf die Straße treibt. Immer mehr Verordnungen oder Verbote machen es den Bauern immer schwerer, ihre Arbeitspraxis ohne eine intensive begleitende Verwaltung durchzuführen. Das zermürbt auf Dauer. Bedenkt man dann noch die Steuersätze in Deutschland, wird vom Staat verlangt, dass er für dieses Geld, das man abgibt, auch abliefert und Probleme löst. Ob das wirklich so ist, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Es besteht zumindest bei vielen Landwirten das Gefühl, dass etwas nicht gut läuft – und viele andere schließen sich nun an.
Die eigentlichen Probleme der Landwirte: Verband, Verbraucher, Lidl und Co.
Steuern sind die eine Sache, die andere sind die wirklichen Probleme, mit denen die Bauern zu kämpfen haben. In aller erster Linie hätte sich der Protest wirklich an die Verbraucher wenden können. Wer in einen Supermarkt geht, will möglichst günstig BIO einkaufen. Stimmt der Preis nicht, finden BIO-Produkte von Landwirten keinen Absatz. Lebensmittel müssen in Deutschland vor allem günstig sein.
Diejenigen, die diesen Wunsch der Verbraucher unterstützen, sind die großen Supermärkte und Discounter. Lidl, Aldi, REWE und Co. drücken mit ihrer Marktmacht die Preise. Am Verhandlungstisch haben Landwirte das Diktat dieser großen Ketten hinzunehmen. Eine wirkliche Verhandlungschance besteht nicht. Und wer nicht mitmacht, der steht bald nicht mehr im Regal. So einfach ist das.
Dass sich ausgerechnet der Bauernverband in Deutschland als Lautsprecher der Bauern darstellt und die Proteste auch teilweise mit einer Stimme anführt, ist eigentlich die Ironie der Geschichte. Ausgerechnet der Verband und ihre Vorsitzenden waren es, die in den vergangenen Jahren auf “Milchkrise”, “Milchüberschuss” oder zu günstige Preise nur eine Antwort hatten für die Bauern: Professionalisiert euch, produziert mehr. Das wiederum drückte die Preise zusätzlich. Ein Teufelskreislauf, aus dem die Bauern nicht mehr so leicht herauskommen.
Warum der Protest trotzdem wichtig ist
Nach all den Ausführungen könnte man eigentlich zu dem Schluss kommen, dass der Protest der Bauern eigentlich gar nicht nötig ist bzw. sich an die falsche Adresse wendet. Ganz so einfach ist der Fall dann aber doch nicht. Es gibt in Deutschland durchaus seit Längerem das Gefühl, dass der Staat den Mittelstand durch immer mehr Regeln und Steuern gängelt, aber die eigentlichen Nutznießer der deutschen Infrastruktur, Groß- und Weltkonzerne, finden immer Steuerschlupflöcher. Die Distanz zwischen diesen Börsen notierten Unternehmen und dem Mittelstand in Deutschland wird immer größer, das Gefühl, linksliegengelassen zu werden, immer eindringlicher. Dass ist es auch, das in den Gesprächen mit den Protestierenden klar wird. Hier gehen nicht Landwirte für ihre eigene Sache auf die Straße, sondern um dem Mittelstand eine Stimme zu verleihen. Und so lange sich der Protest an Regeln hält, ist dagegen nichts einzuwenden.
(Vreni Gilg)